Hessische Staatskanzlei

„Verantwortungsbewusste Öffnungsperspektiven für Hessen“

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen haben den Winter über unser Leben bestimmt. Das Infektionsgeschehen der vierten Welle hat teilweise dramatische Ausmaße angenommen. Aber in der aktuellen Situation können wir – auch mit Erleichterung – feststellen: Wir haben deutlich weniger Corona-Infektionen als noch vor Wochen, die Zahl der Todesfälle nimmt ab, und die Sieben-Tage-Inzidenz in Hessen sinkt weiter.

Die objektiven Faktoren der Corona-Pandemie weisen also darauf hin, dass das Infektionsgeschehen seinen Höhepunkt erreicht und überschritten hat. Wir können feststellen, zu keiner Zeit ist eine Überlastung des Gesundheitssystems eingetreten!

Trotzdem gilt: Die Pandemie ist nicht vorbei!

Unsere Kliniken und die dort tätigen Beschäftigten, denen auch heute unser Respekt und unsere Anerkennung gilt, arbeiten nach wie vor unter hohen Belastungen.

Wir haben nach Auskunft des Robert-Koch-Instituts aktuell in Deutschland 154.000 Impfungen am Tag. In der Statistik sieht dies so aus: Aktuell haben 75 Prozent der Menschen in Deutschland (62,4 Mio. Menschen) eine Grundimmunisierung gegen das Corona-Virus, mehr als 55,9 Prozent (46 Millionen) haben eine Booster-Impfung erhalten. Wir wissen aber alle, dass unsere Impfquote, auch mit entsprechenden Kampagnen, weiter gesteigert werden muss. Gerade in den vulnerablen Gruppen der älteren Menschen sind Millionen noch nicht geimpft.

Ich kann nur das wiederholen, was ich bereits hier mehrfach gesagt habe: Wir wissen alle, die Impfung ist die wirksamste Maßnahme gegen die Pandemie. Nur über eine Impfung können wir der Spirale entkommen, die uns von Welle zu Welle treibt.

Trotzdem: Es gibt Anlass zur Zuversicht. Die Pandemie ist nicht vorbei, aber wir befinden uns in einer neuen Phase der Pandemie. Wir können und wollen Öffnungen wagen, die wir aber mit Besonnenheit und Achtsamkeit verbinden.

Meine Damen und Herren, in jeder Phase der Corona-Pandemie hat uns alle mit dem Blick auf die Maßnahmen stets die entscheidende Frage bewegt, ob und inwiefern die Grundrechte weiter eingeschränkt werden müssen. Es war ein permanenter und schwieriger Abwägungsprozess, um in einer absoluten Ausnahmesituation und in der Krise die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dies gilt auch jetzt für die aktuelle Phase der Lockerungen in Deutschland, die die Rückkehr zu einem normalen Leben ermöglichen soll.

In vielen Ländern Europas wurden wichtige Öffnungsschritte vollzogen.

Mit der MPK mit dem Bundeskanzler und der Bundesregierung haben wir uns auch in Deutschland auf wichtige Beschlüsse verständigt, die wir in Hessen in der gestrigen Sitzung des Corona-Kabinetts umgesetzt haben.

Auch aufgrund der Empfehlungen des Expertenrates wurde in der Abwägung zwischen Öffnungsschritten und letztlich der nicht sicheren weiteren Entwicklung ein 3-Stufenplan vereinbart.

Lassen Sie mich die einzelnen Beschlüsse erläutern.

Meine Damen und Herren, bereits vor drei Wochen hatten wir hier in Hessen die 2G-Regel im Einzelhandel aufgehoben und so den unübersichtlichen Unterschied zwischen dem Grundbedarf und dem übrigen Einzelhandel aufgegeben. Damit haben wir für Klarheit gesorgt und den Händlern die aufwendigen Zugangskontrollen erspart.

Entsprechend den Beschlüssen der Konferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder heben wir nun ab sofort im ersten neuen Schritt alle Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene für private Zusammenkünfte im öffentlichen Raum auf. Sie können sich also wieder mit so vielen Personen treffen, wie Sie möchten.

Da die Nichtgeimpften und Nichtgenesenen besonders gefährdet sind, bleibt es für sie zunächst bei der bisherigen Regelung: eigener Haushalt plus zwei Personen.

Sollte es die Situation in den Krankenhäusern zulassen, werden wir ab dem 4. März in einem zweiten Schritt den Zugang zur Innengastronomie und zu Übernachtungsbetrieben nach der 3G-Regel öffnen. Analog werden wir 3G auch in Einrichtungen von Sport, Kultur und Freizeit sowie für alle körpernahen Dienstleistungen einführen.

Auch die Innenräume von Diskotheken und Clubs können dann endlich wieder öffnen und nach der 2G+-Regel Besucher empfangen, was mich für diesen Wirtschaftszweig, der lange unter der Schließung leiden musste, besonders freut.

Bei Veranstaltungen soll dann weiterhin ab 10 Personen 3G gelten. Ab 500 Personen 2G+ bei maximal 60 Prozent Auslastung drinnen, draußen maximal 75 Prozent. Die Obergrenze heben wir drinnen auf 6.000 Personen, draußen auf 25.000 Personen an. Mancher mag sich fragen, wie diese Zahlen zustande kommen.

Diese Festlegungen sind immer ein Kompromiss zwischen dem, was epidemiologisch vertretbar ist und dem, was notwendig ist, damit viele Veranstalter, nicht nur im Sport, sondern z. B. auch in der Kultur, diese Krise überstehen können.

Bei der überragenden Bedeutung unserer Vereine geht es auch um deren überleben als wichtige Bindeglieder unserer Gesellschaft.

In diesem Zusammenhang ist auch erfreulich, dass sich Bund und Länder auf die Fortsetzung der Wirtschaftshilfen und des Kurzarbeitergeldes verständigen konnten.

Weniger erfreulich ist dagegen, dass eine Initiative Hessens und anderer Länder zur Unterstützung der großen Messen, die auch ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor sind, durch die Bundesregierung strikt abgelehnt wurde.

Ein weiteres Thema, das die Menschen umtreibt, ist das Hin und Her beim Genesenenstatus. Die plötzliche Verkürzung auf drei Monate durch das RKI hat viele Menschen zu recht sehr verärgert. In der Ministerpräsidentenkonferenz haben wir nun beschlossen, die Dauer von Geimpften- und Genesenenstatus nicht mehr an das Paul-Ehrlich-Institut und an das Robert-Koch-Institut zu delegieren. Ich hätte mir gewünscht, dass wir gleich beschlossen hätten, den Genesenenstatus gemäß der EU-Empfehlung wieder auf sechs Monate zu verlängern. Dazu haben wir aber leider mit der Bundesregierung keine Einigkeit erzielen können.

Ein anderer Themenkomplex, der die Menschen in unserem Land nach wie vor sehr bewegt, war nicht Thema der Ministerpräsidentenkonferenz: der Bereich der Schulen und Kindertagesstätten.

Die Pandemie hat den Schülerinnen und Schülern, ihren Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern sehr viel abverlangt. Der Wert, den Schule hat, ist dabei vielen ganz neu bewusst geworden. Unsere Maxime war in all den Monaten: So viel Präsenzunterricht und Normalität aufrecht zu erhalten wie infektiologisch irgend möglich. Mit diesem Kompass haben wir erreicht, dass im ganzen Schuljahr 2021/2022 Präsenzunterricht das Regelmodell war, nach dem alle Schulen verfuhren. Die Fortschritte in der Eindämmung der Pandemie, die gerade auch wegen all der belastenden Schutzvorkehrungen erreicht werden konnten, erlauben es nun aber, weitere Schritte in Richtung Normalität zu gehen. Wir haben die jüngsten, unsere Kinder und Jugendliche, nie vergessen. Es war richtig, die Schulen nicht zu schließen, als auch andere Lebensbereiche noch geöffnet waren und es ist jetzt richtig, an den Schulen weiterhin Richtung Normalität voranzukommen, wenn wir dies auch in anderen Lebensbereichen wie z.B. in der Gastronomie und bei Veranstaltungen tun. Dieser Gleichklang bei Einschränkungen und nun bei den Lockerungen ist mir wichtig. Das sind wir unseren Schülerinnen und Schülern und unseren Lehrkräften nach den vielen Wochen und Monaten extremer Belastung auch schuldig. So haben wir beschlossen: Ab Montag, den 7. März, in den Schulen die Pflicht auch am Platz Mund und Nase zu bedecken, wegfallen zu lassen. Viele sehnen sich danach und können nun aufatmen. Wir bleiben aber gleichwohl besonnen. Es wäre zu früh, die Schutzvorkehrungen an den Schulen insgesamt fallen zu lassen. Wir führen daher regelmäßige Testungen an den Schulen zunächst weiter fort. Wer freiwillig eine Maske auch am Platz tragen möchte, dem bleibt dies unbenommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dann sehr bald auch über den Testrhythmus sprechen können und über andere Aspekte, bei denen wir aktuell noch Sonderregeln an den Schulen haben. Dies kann aber nur gelingen, wenn wir hierfür eine entsprechende Rechtsgrundlage durch den Bund erhalten. Ich komme in einem anderen Zusammenhang auf diesen Punkt noch einmal zurück.

Meine Damen und Herren, die mit der aktuellen Verordnung beschlossenen ersten zwei Schritte geben Orientierung und Zuversicht.

Ich habe Ihnen dargelegt, auf was sich der Bund und die Länder in der vergangenen Woche verständigt haben und was wir hier in Hessen ab sofort umsetzen. Es ist höchst bedauerlich, dass wir über den dritten und bedeutendsten Schritt heute noch keinerlei Klarheit haben.

Man muss sich grundsätzlich klarmachen: Wird das Infektionsschutzgesetz des Bundes nicht verändert, dann gibt es ab dem 20. März keine Rechtsgrundlagen mehr und alle Regeln fallen ersatzlos weg. Das Land kann aus verfassungsrechtlichen Gründen hier auch nicht eigene Landesregelungen erlassen.

Diese Konsequenz halten alle Länder für falsch, da wir überzeugt sind, dass es auch nach dem 20. März die Möglichkeit geben muss, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. In der Debatte wird dies als Basisschutz bezeichnet.

Die Bundesländer haben in dem Beschluss der Konferenz an die aus ihrer Sicht wichtigen Bereiche wie z.B. der Maskenpflicht, der Hygienekonzepte, der Testregelungen oder Schutzmaßnahmen bei lokalen Ausbrüchen erinnert. Ebenso an besonderen Einrichtungen mit vulnerablen Personen, also Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, aber auch an die Situation in Bussen und Bahnen. Zur Erinnerung: Bei all diesen Maßnahmen handelt es sich um Eingriffe in die Grundrechte und dafür brauchen wir eine politische Entscheidung und klare rechtliche Grundlagen, was unter Basisschutz eigentlich zu verstehen ist.

Da die Berliner Ampelkoalition jedenfalls bislang darüber nicht einig ist, konnte die Bundesregierung hier keinerlei Klarheit schaffen. Dieser Umstand ist mehr als bedauerlich und verhindert vor allen Dingen rechtzeitige Planungen und Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, Pandemiebekämpfung bedeutet auch verantwortlich zu handeln. Dafür brauchen die Länder das notwendige Werkzeug. Bei allen positiven Nachrichten ist doch eines klar: Die Pandemie ist noch nicht vorbei – ich kann das nur nochmals so deutlich betonen. Wir befinden uns bereits zwei Jahre in einer Ausnahmesituation, und daraus müssen wir nun unsere Schlüsse ziehen. „Aus der Pandemie lernen“ haben wir das alle immer genannt. Das wird in der aktuellen Diskussion manchmal völlig unterschlagen, deswegen möchte ich diesen Punkt an dieser Stelle nochmal benennen.

Aus der Pandemie lernen heißt, sich vorzubereiten. Die Leiterin des Schwerpunktes Infektiologie am Uniklinikum Gießen-Marburg, Frau Professorin Susanne Herold, hat vor wenigen Tagen in der FAZ deutlich betont: „Im nächsten Winter beutelt uns Corona wohl wieder“. Wichtig ist, dass wir dann vorbereitet sind, für alles, was uns erwarten könnte, und dafür brauchen wir auch die notwendigen Rechtsgrundlagen. Die entscheidende Frage ist doch jetzt nicht, was passiert Ende März. Das kann man relativ gut einschätzen. Aber was passiert im September oder Oktober? Das ist nicht so leicht vorherzusehen, und deswegen müssen wir vorbereitet sein, meine Damen und Herren.

Wenn wir nach dem Sommer erst wieder in aufwendige Gesetzgebungsverfahren einsteigen, die dann zwei Monate dauern, werden wir der Entwicklung hinterherlaufen, und das darf nicht sein. Es geht also nicht nur um die paar Wochen nach dem Auslaufen des Infektionsschutzgesetzes, sondern es geht darum, ob man eine Verständigung erzielt, dass die Länder die rechtzeitige Möglichkeit zum Handeln erhalten.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Dinge so zusammenfassen:

Mit den ab sofort in Kraft tretenden Lockerungen, aber insbesondere mit dem Paradigmenwechsel ab dem 20. März, machen wir bewusst einen gewaltigen Schritt zur Wiedergewinnung unserer gewohnten Freiheit. Freiheit bedeutet aber auch immer Verantwortung.

Ich habe in den vergangenen zwei Jahren immer wieder betont, dass man auf Dauer ein Land nicht mit Verordnungen und Ordnungsmaßnahmen regieren kann. Im Gegenteil, es kommt darauf an, dass die Menschen die Maßnahmen akzeptieren und aus eigener Einsicht und eigenem Interesse auch befolgen. Dies haben die allermeisten Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen zwei Jahren getan.

Dies begründet auch meine Zuversicht, dass sie auch dann, wenn wir nach dem 20. März auf eine Vielzahl von Sonderregelungen und Grundrechtseinschränkungen verzichten, sich sehr vernünftig verhalten und wir wieder weitestgehend zu unserem gewohnten Leben zurückkehren können

[1]Öffnet sich in einem neuen Fenster Quelle: RKI. - Die Zahl stellt einen Mittelwert an Impfungen der letzten sieben Tage auf 24 Stunden verteilt dar (Stand: 17.2. 2022).