Entdeckung der Kontinentalverschiebung

Am 6. Januar 1912 hielt der Meteorologe und Geowissenschaftler Al­fred Wegener im Frankfurter Sen­ckenberg-Museum einen Vortrag. Eingeladen hatte ihn die Geologische Vereinigung in Frankfurt, die gerade ihre Jahresversammlung abhielt.

Theorie von der Wanderung der Kontinente

Wegener sprach über das auf den ersten Blick wenig spektakuläre Thema Die Herausbildung der Großformen der Erdrinde (Kontinente und Ozeane) auf geophysikalischer Grundlage. Nur vier Tage später folgte in Marburg, wo Wegener als Privatdozent lehrte, der zweite Teil des Vortrags, dieses Mal unter dem Titel Horizontalverschiebungen der Kontinente. Wer Wegener damals sprechen hörte, konnte später behaupten, er sei dabei gewesen, als die Theorie von der Wanderung oder Verschiebung der Kontinente geboren wurde. Bereits 1908 hatte der Amerikaner Frank Bursley Taylor behauptet, die Kontinente seien nicht durch ein Absinken von Erdmassen im Meer entstanden, sondern durch ein Auseinanderdriften. Aber das blieb Vermutung. Erst Wegener gelang es, Beweise für eine Kontinentalverschiebung zu liefern. Trotzdem war seine Theorie, die heute niemand mehr in Frage stellt, lange umstritten.

Landverbindung zwischen Brasilien und Afrika als Anstoß

Die erste Idee einer Kontinentalverschiebung hatte Wegener, wie er in seinem Buch Die Entstehung der Kontinente und Ozeane berichtete, bereits 1910 „bei der Betrachtung der Weltkarte unter dem unmittelbaren Eindruck von der Kongruenz der atlantischen Küsten, ich ließ sie aber zunächst unbeachtet, weil ich sie für unwahrscheinlich hielt. Im Herbst 1911 wurde ich mit den mir bis dahin unbekannten paläontologischen Ergebnissen über die frühere Landverbindung zwischen Brasilien und Afrika durch ein Sammelreferat bekannt, das mir durch Zufall in die Hände fiel. Dies veranlasste mich, eine zunächst flüchtige Durchmusterung der für die Frage in Betracht kommenden Forschungsergebnisse auf geologischem und paläontologischem Gebiet vorzunehmen, wobei sich sogleich so wichtige Bestätigungen ergaben, dass die Überzeugung von der grundsätzlichen Richtigkeit bei mir Wurzel schlug“.

Einzelne Kontinente driften voneinander weg

Wegener fand neben ähnlichen Fossilien und Gebirgsformationen auf den verschiedenen Kontinenten auch klimatische Besonderheiten, die darauf hindeuteten, dass es einmal einen großen Urozean und einen Urkontinent gegeben habe. Der Urkontinent habe bis ins Jungpaläozoikum (das einen Zeitraum von 417 bis 251 Millionen Jahren vor unserer Zeit umfasst) bestanden, dann sei er auseinandergebrochen. Seither driften die einzelnen Kontinente voneinander weg. Die Geschwindigkeit beträgt dabei einige Zentimeter pro Jahr. Was Wegener nicht klären konnte, waren die Kräfte, die die Drift in Bewegung halten. Seine Erklärungsversuche mit Polfliehkräften oder den Gezeiten konnten relativ leicht widerlegt werden. Das verhinderte die breite Akzeptanz seiner Theorie. Wegener blieb in den Geowissenschaften ein Außenseiter. Erst spät öffnete er sich Überlegungen, dass kontinuierlich heiße Materie aus dem Erdmantel quille und die Kontinente auf der erstarrten Masse wie auf einer schiefen Ebene rutschen würden. Sein früher Tod verhinderte, dass er weiter auf diesem Gebiet forschte.

Wegeners Vorlesungen waren bei Studenten sehr beliebt

Alfred Wegener wurde am 1. November 1880 in Berlin geboren. Er studierte Physik, Meteorologie sowie Astronomie in Berlin, Heidelberg und Innsbruck. Danach arbeitete er zunächst als Assistent am Aeronautischen Observatorium Lindenberg bei Beeskow. 1906 bis 1908 nahm er an einer Expedition nach Ost-Grönland teil. Nach seiner Rückkehr habilitierte er sich in Marburg für Meteorologie, praktische Astronomie sowie kosmische Physik und hielt als Privatdozent Vorlesungen, die wegen ihrer klaren Sprache bei Studenten sehr beliebt waren. 1913 durchquerte Wegener zusammen mit dem Dänen Peter Koch das grönländische Inlandseis von Ost nach West. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Offizier des Heereswetterdienstes teil. In dieser Zeit beschäftigte er sich auch mit dem Einschlag eines Meteoriten in der Nähe des nordhessischen Treysa am 3. April 1916 und stellte dabei die These auf, die Mondkrater seien durch Meteoriteneinschläge entstanden. Das ist, wie wir heute wissen, auch weitgehend so gewesen. 1919 wechselte Wegener von Marburg nach Hamburg zur Deutschen Seewarte. 1924 wurde er als Professor für Geophysik und Meteorologie nach Graz berufen. Von seiner dritten großen Grönlandexpedition ist er nicht mehr zurückgekehrt. Wegener starb im November 1930 im ewigen Eis vermutlich an Herzversagen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und lange nach seinem Tod fand Wegeners Theorie von der Kontinentalverschiebung die wissenschaftliche Anerkennung.